Behrooz S.

Behrooz S., 53 Jahre, Dipl.-Ingenieur, Bioladenbesitzer, Hamburg.

53°34'57.18"N, 10° 1'0.10"E, 19.03.2014


Behrooz S. besitzt einen Bio-Laden in Winterhude, gleich gegenüber einem Bio-Supermarkt. Ich halte eigentlich immer bei ihm, um meine Ration Landjäger zu kaufen.

Behrooz ist Iraner. Er flüchtete 1982 aus politischen Gründen, als Chomeini bereits drei Jahre an der Macht war und alle linken Parteien verbot, nach Deutschland.

Die Flucht war allerdings kein ‚ab ins Flugzeug und Ankommen in Deutschland‘ sondern eine gefährliche Flucht und sollte eigentlich in Kanada enden. Er gelangte damals über Pakistan nach Rumänien. Schleuser gaben ihm dort ein Flugticket und erst im Flugzeug erfährt er, dass der Flug in Ost Berlin endet. Für ihn bricht eine Welt zusammen. In Ostberlin angekommen, wird er mit neun anderen Flüchtlingen sofort verhaftet. Es werden ihnen die gefälschten Pässe und das gesamte Barvermögen abgenommen und dann, eines Nachts, werden sie über die Grenze heimlich nach Westberlin abgeschoben.


Behrooz S. und die Mitflüchtlinge tauchen in Westberlin unter, bis sie eines Tages zufällig in eine Personenkontrolle geraten. Sie landen im Gefängnis. Der Haftrichter erklärt Behrooz S. die juristischen Wege, um als politischer Flüchtling in Deutschland anerkannt zu werden. Es vergehen anderthalb Jahre bis zur Anerkennung.

Als er aus dem Iran flüchtete konnte Behrooz S. keine Papiere oder Urkunden mitnehmen, so auch nicht sein iranisches Schul-Abschlusszeugnis, als Nachweis für das im Iran bestandene Abitur.
Behrooz S. entscheidet sich in Deutschland zu bleiben. Er setzt alles daran zu studieren, holt das deutsche Abitur nach und schreibt sich für ein Studium der Medizintechnik an der HAW Hamburg ein. Eigentlich will er Medizin studieren, bekommt aber keinen Studienplatz. 6 Jahre ist er dort eingeschrieben und macht am Ende den Diplom-Ingenieur. Während dieser Zeit erfährt er durch seine damalige Freundin, die für Greenpeace arbeitete, die Unterschiede zwischen industrieller und bio-ökologischer Agrarwirtschaft. Vor allem schmeckt er den Unterschied, bei ihr kommen nur Bio-Produkte auf den Tisch.

Er jobbt fünf Jahre als Angestellter in einem Bioladen. Und weil Behrooz S. ‚einen Dicken Schädel‘ besitzt, er sich ungern etwas sagen lässt, zumal er meint, es besser zu wissen und zu machen als andere, entschließt er sich sein eigenes, kleines Bio-Geschäft aufzumachen.



Und in diesem Laden trifft man ihn heute an. Scheinbar macht er es tatsächlich besser als andere, wie sonst könnte er sich mit diesem kleinen Bioladen gegen den großen Bio-Supermarkt auf der anderen Straßenseite behaupten.

Ich frage ihn, was sein einschneidendstes Erlebnis im Leben war und ohne zu Zögern erzählt er:

‚Ich war fünf oder sechs, als die Kuh meiner Mutter starb. Meine Mutter weinte sehr über diesen Verlust und ich konnte überhaupt nicht verstehen, warum sie derart traurig war. Über den Tod eines Menschen ja, aber über den Tod einer Kuh? Ich verstand erst viel später, dass durch den Tod der Kuh meiner Familie die wirtschaftliche Existenzgrundlage genommen war.‘


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