Pittjes H.

Pittjes H., Maler. „Mittlerweile 60 Jahre alt!“ Lebt mit seiner Freundin seit 38 Jahren im Gängeviertel, Hamburg. „Wir lieben uns noch immer! Allerdings verwenden wir zur Aufrechterhaltung unserer Beziehung ein paar kleine Kunstgriffe, zum Beispiel: getrennte Schlafzimmer. Du weißt ja, zivilisierte Menschen schlafen per se getrennt.

53°33'17.49"N 9°58'54.82"E, 31.10.2017


„50 Jahre alt zu werden, war noch o.k. Dass hat mich nicht getroffen. Da habe ich gedacht, es wird eigentlich Zeit für einen roten Jaguar, so ein Pimmelcar! 60 ist schon ein Ding!“

Hast du einen Jaguar gekauft?
„Nein, ich habe schon einen „Strich-Acht“ Oldtimer, einen Golf Pick Up mit Rammschutz für die Stadt und ein Moped. Das Bike selbst aus Schrottteilen zusammengeschraubt, mit einem 1400ccm V2 Motor. Richtig schön böse!“

Pittjes H., ist das dein Künstlername?
Nein, aber mein Vorname ist schon eine lustige Mischung! Ich habe zum Teil indonesisch- holländische Grosseltern, und Pittjes, – eigentlich ohne s, hatten die Deutschen dann angehängt – heißt kleiner Peter. Hat mich als Kind natürlich sehr geärgert, der kleine Peter zu sein! Seitdem ich über 1.80 bin, war das o.k.“

Kommst du aus einem guten bürgerlichen Elternhaus?
„Was heißt ein gutes bürgerliches Elternhaus? Finanziell war alles bestens. Ich hatte einen Stiefvater und einen Stiefbruder. Das gab Spannungen. Grade so in den spießigen 60iger Jahren.“

Geschieden oder gestorben dein Vater?
„Nee, ich bin das Resultat des kleinen Grenzverkehrs. Mein leiblicher Vater war Javanese, lebte und arbeitete als Postbeamter in Holland. Meine Mutter lebte damals in Wanne – Eickel. Dort war der größte Güterbahnhof im Ruhrgebiet. Die ganze Post für Osteuropa wurde dort umgeschlagen, d.h. mein Vater ist dann aus Holland mit dem Paketzug nach Wanne – Eickel gefahren und hat den Zug dem Deutschen Postbeamten übergeben. Nach der Übergabe hatte er dann jedes Mal eine Stunde Aufenthalt am Bahnhof, für den Zug zurück. Die Zeit hat er dann in der Bahnhofsbibliothek totgeschlagen. Meine Mutter fuhr von dem Bahnhof immer zur Arbeit. Hatte auch immer zur selben Zeit eine Stunde Wartezeit und verbrachte diese dann auch in der Bahnhofsbibliothek. Es gab da eine kleine Gartenlaube neben dem Bahnhof und na ja, dort kam es dann zum kleinen Grenzverkehr. Sie hat mit meinem leiblichen Vater aber nie zusammengelebt und heiratete dann meinen Stiefvater, so als Versorger. Meinen richtigen Vater habe ich erst mit 28 Jahren kennen gelernt. Der war Zocker, echt lustig. Wir sind zusammen mal nach Jakarta geflogen. In einem Hotel hat er versucht, ein Zimmer so auf lau zu bekommen. Hat mit dem Rezeptionisten in der Lobby darum gewürfelt.“

Fühlst du dich als Deutscher?
Mit Deutschland habe ich nie so richtig was am Hut gehabt. Auch dadurch, weil ich in den 70igern erwachsen geworden bin, so mit langen Haaren, abgedrehten Klamotten, ständig stoned und in der Zeit mich auch viel in Amsterdam herumgetrieben habe. Damals im Ruhrgebiet als Freak zu leben, da wurdest du offensiv gehasst. Ich weiß noch, ich bin oft morgens um 5 Uhr mit dem Zug von Dortmund nach Herne zurückgefahren. In Dortmund waren damals die Läden, in denen wir immer gefeiert haben. Auf dem Rückweg hingst du im Zug total durch, angeschickert, vollgedröhnt, oder Nase weiß gepudert und dann saßen da die ganzen Malocher um dich herum und haben dich angehasst. Mochte ich aber auch irgendwie, schadenfreudemäßig …

Es gab damals 2 Handbücher für mein Leben. Das eine von Timothy Leary: „Politik der Ekstase“, das andere von Ram Dass (Richard Alpert): „Be here now“. Außerdem, die LSD Erfahrungen die ich damals gemacht hatte, haben mir Dinge gezeigt, die mir als Maxime bis heute gelten. Und von dort aus habe ich mir meinen eigenen Kopf gemacht, wie es weiter geht.

Nach dem Abi bin ich zu meiner Mom gegangen und habe gesagt: Mutti, ich werde jetzt Künstler. Das schien mir eine gute Perspektive für ein Bohemien Leben. Das wollte ich immer! Dandys haben mich schon immer fasziniert. Ich habe früher, so mit 13 oder 14 Jahren, mal Perry Rhodan gelesen, Da gab es eine Figur: Roi Danton. Der hatte diese Dandy Attitüde. Roi war für mich die einzige wirklich coole Figur in der ganzen Geschichte.

Ach ja, meine Mutter meinte: „Papa verdient soviel, dass du kein BAföG bekommst, dass bedeutet, wir müssen dich finanzieren. Wir bezahlen dein Studium nur, wenn du noch ein 2. Studium machst. Dann kannst du zur Not immer noch mit dem Fallschirm ins Lehramt springen.“ Ich habe dann angefangen, Kunst und Geschichte zu studieren, Geschichte speziell Militärgeschichte, mochte die ganzen alten Hauereien. Bin dann aber aus dem Studium nach 3 Semestern wieder abgesprungen.“

Du hast dann aber Kunst weiter studiert?
„Ja gut, ich habe dann Kunst an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. Großer Fehler der Kunstakademie war, dass sie gleich um die Ecke vom Ratinger Hof lag, wo sehr viele Vorlesungen dann von unserer Seite aus stattfanden.

Hast du einen Abschluss gemacht?
„Mhm, nee. Ich habe mir gedacht, was willst du mit so einem Abschlussding? Das bringt dich ja keinen Meter weiter. Soll ich nachher irgendwem erzählen, ich bin magischer Magister oder Meisterschüler oder sowas? Wen interessiert denn das“

Du wolltest aber schon als Künstler arbeiten?
„Ich wollte malen. Balzac hat mal gesagt: wer sich an regelmäßige Arbeitet gewöhnt, ist für das elegante Leben verloren. Und an den Satz halte ich mich strikt!“

Wovon hast du damals gelebt?
„Ähm… Geschäfte. Ich war ziemlich gut darin. War mit einigen Kenntnissen über angewandte Chemie ausgestattet und habe mir Dinge zwischen Amsterdam und Düsseldorf einfallen lassen, die es damals so noch nicht gab. Aber das jetzt zu erzählen, würde zu lange dauern.“

Wie bist du eigentlich zum Malen gekommen?
Ich male schon immer! Ich habe schon als Kind angefangen, aus Comics Personen raus zu pausen und meine eigenen Pornoszenen daraus zu machen. So: Supermann fickt mit der Elfe von Disney. Da war ich so 8, 9 Jahre alt. Klar habe ich auch Häuser gemalt, mit Wolken und Autos davor und so. Das Malen ist ein Medium für mich.“

Wann hast du dich entschlossen, von deinen Werken zu leben?
„Nie!“

Wovon lebst du denn dann, wenn nicht vom Verkauf deiner Bilder?
„Ich habe so ein bisschen Background.“

So richtig gut ausgestattet?
„Es geht.“

Also du brauchst dir finanziell keine Sorgen zu machen?
„Doch, das Problem ist ja, welche Lebensgewohnheiten man so hat. Ich bin immer an meiner finanziellen Grenze oder dahinter. Also Pleite aus anderen Gründen.“

Aus welchen?
„Weil ich zuviel ausgebe.“

Machst du Ausstellungen mit deinen Arbeiten?
„Eigentlich sind mir Ausstellungen zu mühevoll. Ich habe früher viel ausgestellt, in NRW, aber auch international. In Amsterdam z.B. In den USA hatte ich eine Psychedelic-Art Ausstellung mit Rick Griffin zusammen, so Ende der 70iger. In Hamburg habe ich in den 80igern sehr oft ausgestellt.“

Du hast mal hier in Hamburg eine Kunst Galerie gehabt.

„Ich habe die Abriss Galerie in der Bernhard-Nocht- Strasse initiiert. Hamburgs erste und einzige Undergroundgalerie zu der Zeit.“

Wie kamst du auf die Idee mit der Galerie?
„Iris und ich haben uns Berlin und Hamburg angeschaut. Berlin war damals wie ein Knast, Mauer und so. Also: Hamburg. Iris lernte Hotelfachfrau und ich sagte mir, ich kann jetzt nicht hier so rumsitzen, außerdem kennt dich hier kein Schwanz und du kennst keinen Schwanz. Wäre also ganz gut, wenn du irgendetwas machen würdest. Etwas was Breitenwirkung erzielt. Und dann habe ich im letzten nicht besetzten Haus auf der Hafenstraße jemanden kennen gelernt, der dort ein Ladenlokal hatte. Hinten wohnte er und vorne stellte er so Bilder aus. Er siedelte dann aus, ich hatte ein bisschen Geld und zusammen haben wir dann das ganze Ding renoviert, eine richtige Lichtanlage rein und so.“

Ich las, dass die Galerie keine kommerziellen Interessen hatte.
„Ja, das war ein Selbstgänger. Wir haben Vernissagen gemacht mit Bands und Alkohol verkauft und haben davon die Miete bezahlt. Sicher, wir haben hier und da mal ein Bild verkauft. Unser Prinzip war es aber: wir wollten Bilder haben und ausstellen, die damals keiner in Hamburg haben wollte, die aber die neue Szene in Hamburg widerspiegelte. Die etablierte Hamburger Kunstszene damals, das waren so Hanseaten Galerien. Das Extravaganteste was du da haben konntest, war ein Druck von Andy Warhol und der Rest war auch kompletter Bullshit.“

Was für einen Einfluss hatte die Abriss Galerie in der HH Kunstszene?
Die Galerie hatte damals so den Stellenwert, wie heute die Affenfaust oder Feinkunst Krüger, sie war damals allerdings singulär in Hamburg. Es gab nicht eine einzige in Hamburg die so war, wie die Abriss Galerie. Es gibt noch heute Leute, die mir sagen: Junge, hättest du das damals in Berlin gemacht, du wärst heute DER Galerist. Aber wir waren ja in Hamburg. Damals haben wir jede Menge Mappen zu sehen bekommen, auch von Kunststudenten. Da hast du natürlich gesehen, wie weit die schon waren in ihrer Entwicklung. Es gibt ja so Entwicklungsschritte im Kunststudium wie z.B. Kompositionslehre, was die heute ja alles nicht mehr machen, oder die Farbperspektive. Du siehst irgendwann, ob sich jemand damit beschäftigt hat, oder nicht. Viele wussten nicht mal, wie man einen Pinsel lud. Das sind die elementarsten Sachen! Wenn ich male, muss ich doch wissen, wie ich Farbe in den Pinsel bekomme.“

Was habt ihr damals ausgestellt?
„Es sollten raue Bilder sein, 80iger Jahre expressionistisch, nicht zu konzeptionell und nicht zu minimalistisch und wenn sie böse waren, gab es ein Pluspunkt extra! Einen hatten wir ausgestellt, mit einem großen Bild: „Der Blutkotzer“ So was mochte ich! So ein Typ, auf allen Vieren der sich auskotzte, überall flogen Blutklumpen rum. Fand ich sehr gut! Gab von meiner Seite 2 Pluspunke!
Irgendwann kamen dann Fremdkuratoren mit in die Galerie und das war dann nicht mehr so mein Plan. Es war nicht stressig, aber mir hatte das dann gereicht: macht mal Jungs … “

Wie siehst du die Kunstszene in Hamburg heute?

„Wie gesagt, Heliumcowboy, Feinkunst Krüger und ein paar andere sind löbliche Ausnahmen hier. Es tut sich langsam was, Hamburg als Kunststadt kannst du aber knicken. Ich habe mal für die Mopo was geschrieben: Hamburg als Tor zur Welt – für Künstler. Die müssten eigentlich gleich alle ausreisen. Das kann hier nur ein Sprungbrett sein. Kennst du den Namen des jetzigen Kultursenators? Nein? Auch nie gehört! Hier läuft kulturmäßig vom Senat aus nix, nur geprotze! Gängeviertel, Feinkunst Krüger, Heliumcowboy werden überhaupt nicht gefördert. O.k., die vom Gängeviertel politisieren sich deswegen ja jetzt auch so ein bisschen Rote Flora mäßig. Ist ok. Aus meinem Verständnis bist du ja als Künstler immer ein Grenzgänger, immer Revolutionär, immer nahe an der Kriminalität, finde ich.“


Welche Galerien findest du hier gut?

Die Admiralität, die so bisschen versucht im Hochkunstbereich und Minimalismus und Konzept zu arbeiten hat schon mal interessante Sachen. Klar, Feinkunst Krüger und Heliumcowboys, wobei ich besonders den „Grantel“ Ralf Krüger persönlich sehr schätze.“

Du verkaufst bei Saatchi?
„Ich verkaufe da schon etwas, aber der Verkauf meiner Bilder ist nicht so mein vorrangiges Interesse. Es geht mir eigentlich darum, zu malen. Ich habe jetzt z.B. jahrelang figürlich gemalt, gehe jetzt rüber zur Abstraktion. Das ist spannend! Die ganzen Jahre habe ich Rock gehört, jetzt höre ich Jazz, so als eine Analogie zu meiner Malerei gemeint. Klar, wenn ich figürlich male interessiert mich auch der Pinselstrich, aber im Abstrakten interessiert mich, wenn ich den Pinsel über die Leinwand zieh, wie perlt die Farbe aus, wie verhalten sich die einzelnen Linien des Pinsels, Rhythmus, die Struktur. Ich habe mir gedacht, scheiß auf Motive und Botschaften, schaue ich mal nur auf Strukturen und Kompositionen.“

Was du auch immer machst, deine Konstante in deinem Leben ist das Malen?
„Ja, malen ist für mich die Kontinuität. Allerdings habe ich ein Problem mit dem Begriff Künstler. Ich bin Maler, ich male. Ich mache keine Kunst, ich male. Kunst hat grade in Deutschland so eine nervige Genialitäts-Attitüde, die noch aus der Romantik und aus dem 19. Jahrhundert her stammt. Ich sag, ich bin Maler, man kann mich dann von mir aus auch für einen Anstreicher halten, wenn man so dämlich sein will.“


Machst du heute noch Ausstellungen hier in Hamburg?
Ich finde Ausstellungen sind immer sehr anstrengend. Du musst alles selber vorbereiten, du musst vielleicht auch noch alle Bilder rahmen. Du als Maler musst dich um jeden Dreck kümmern. Ich habe nicht grundsätzlich etwas dagegen, etwas auszustellen. Wenn jemand kommt und meint: „Ich finde deine Bilder toll, ich würde die gerne in meiner Galerie ausstellen“, sag ich dem: Wann kommt dein Transporter, um 17.00 Uhr? Ich mach dir die Tür auf, du ziehst die Bilder raus, die du haben willst, verkaufst sie, behältst 50% vom Verkauf und bringst mir die nicht verkauften Werke wieder.

Was ich dann unbedingt bei der Vernissage machen würde, wäre dort inkognito zu erscheinen.“



Warum?

„Weil es lustiger und interessanter ist und vor allen Dingen, weil ich nicht diese Dämlackgespräche mit den Leuten führen müsste. So wie: „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ Was weiß ich, was ich mir dabei gedacht habe! Ich wäre Schriftsteller, wenn ich das alles erzählen könnte.
Ich habe mal in Italien ausgestellt, da bist du Maestro, oder gleich Professore. Dummfrage Nr. 1 in Hamburg, wirklich typisch für Hamburg? „Können sie denn davon leben?“ Was geht die das denn an? Entweder werde ich dann aggressiv und frage dann zurück: „Das ist eine ziemlich impertinente Frage! Ich frage Sie ja auch nicht, wovon Sie leben!“ Oder aber – ich lege viel Wert auf eine stilgerechte Kleidung- antworte: „Wo nach sieht es denn aus?“
Diese ganzen Vernissagen Partys bestehen sowieso nur aus Selbstbeweihräucherung. Verkäufe finden an ganz anderer Stelle statt. Meist stehen alle mit einem Wein vor der Tür, unterhalten sich prächtig und qualmen vor sich hin. Vernissagen eben.


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