Gaby Bergmann

„Das schönste Atelier ist einfach draußen, keine Frage!“
Gaby Bergmann, Künstlerin, im Glockenturm der Immanuelkirche, Wedel. 05.06.2025

53°35'4.08"N 9°41'56.12"E, 05.06.2025


Für meine Serie „The Valley Below“ habe ich einen urbanen Raum gesucht, in dem ich meine Bilder ausstellen kann – und dann ist dieser Ort irgendwie zu mir gekommen. Richtig gut! Ich bin hier im Glockenturm der Immanuelkirche in Wedel. Ziemlich hoch, über den Baumwipfeln. Als ich damals hereingekommen bin, dachte ich sofort: Ja, hier kann es sein.
Meine Werke sind klein, ruhig, sie stehen da wie stille Botschaften, aufgestellt auf alten Ziegelsteinen der Kirche.
Das Thema der stillen Botschaft begleitet mich schon viele Jahre in meiner Arbeit. Es liegt wie eine Ebene unter allem. Für mich trägt jedes meiner Bilder eine Botschaft in sich – ohne dass ich sie erzählen, verraten oder erklären möchte. Hier, im Glockenturm, stehen sie wie kleine Denkmale.
Ursprünglich war hier nur eine Ausstellung geplant – zum Thema Resonanz und Freiraum. Und genau diesen Freiraum erlebe ich hier gerade intensiv. Ich habe jetzt viele Stunden und Tage allein in diesem Raum verbracht, mit einem 360°-Ausblick in die Landschaft. Ich habe das Gefühl, durch die Architektur des Glockenturms zugleich drinnen und draußen zu sein. Genau dieses Empfinden spiegelt sich auch in meiner Arbeit wider, an der ich hier für meine nächste Ausstellung, in einer anderen Kirche, gerade arbeite. Für mich findet Resonanz auf unterschiedlichsten Ebenen statt.
Der Raum hier besteht aus Glas, Holz und Beton – und seltsamerweise finde ich gerade den Beton sehr erklärend für meine Arbeit. Nicht unbedingt in Bezug auf die Bilder selbst, sondern vielmehr als Material, an dem sie stehen sollten. Wenn ich es mir aussuchen kann, dann wären meine Werke immer an Beton zu sehen: schlicht und pur. Ein Hintergrund, der sich nicht in den Vordergrund spielt.
Auch meine handgefertigten Objektrahmen sind schlicht – Karton und Glas, reduziert, einfach und pur. Ich mag das Schlichte. Die Betonwände hier, mit ihren Ecken, Kanten und Spuren, sind angenehm umperfekt.
Meine Bilder sind teilweise sehr monochrom, farblich wie Beton, aber gleichzeitig luzid. Immer wenn ich mir vornehme, einmal richtig farbig zu werden, ist am Ende doch wieder alles grau. Farbe wird mir schnell zu viel, wenn es um reduzierte, zur Essenz komprimierte Aussagen geht. Die Voraussetzung des Wahrnehmens aller meiner Sinne beim Malen, ist Resonanz.
Am liebsten arbeite ich ortsbezogen, draußen, in der Welt, nicht in einem Atelier.
So wie z. B. in den Cevennen, in Frankreich, auf einem Grundstück mit einem Wasserloch.
Ich habe dort getuscht, die Blätter durchs Wasser gezogen, sie in der Sonne trocknen lassen, wieder hineingezeichnet – der Ort floss direkt mit in die Arbeiten ein. Das Element des Wassers – des Waschens, des Verblassens, des Neuentstehens, der Wandel – spiegelt sich in meinen Arbeiten von dort.
Hier im Glockenturm resoniere ich aus meinen Bildern der jetzigen Ausstellung, der Architektur des Turms, dem Drinnen und dem Draußen, dem Beton, der Musik die ich hier höre, und den Bäumen, dem Himmel. Alles fließt in meine neue Arbeit mit ein.
Mit der Zeit werden meine Arbeiten immer minimalistischer. Heute arbeite ich viel mit Tusche – Formen und Sätzen. Text ist seit Beginn meiner künstlerischen Arbeit Teil davon. Die Sätze sind in der Regel unlesbar in den Bildern wiederzufinden, verschlüsselt. Die Schrift wird zum Zeichen. Die Malerei steht dabei im Kontext zur Schrift, die in die Abstraktion übergeht.
Während ich an einem Thema arbeite, versorge ich mich ständig mit Texten – wissenschaftlichen Texten, Lyrik, auch mal ein Roman. Diese Texte begleiten meinen künstlerischen Prozess. Mir geht es nicht darum, sie kognitiv ins Bild zu übersetzen. Im Gegenteil: Ich verliere mich dabei in die Abstraktion. Der Reiz liegt für mich im Schaffen – nicht Denken – mein Körper arbeitet daran, im Kopf loszulassen, Gelesenes auf das Papier fließen zu lassen. Es ist eine intuitive Arbeit, gespeist vom Thema, durchdrungen vom Text, ohne eine direkte Übersetzung. Die Malerei transformiert den Text, macht daraus eine bildnerische Botschaft.
Meine Bilder sind wie eine malerische Poesie – eine grafische Lyrik. Das verlangt auch etwas von den Betrachtenden. Wenn Besucher:innen kommen, merke ich oft, dass es nicht unbedingt sofort einen direkten Zugang zu den Bildern gibt. Natürlich geschieht das manchmal, aber oft braucht es Ruhe, Zeit, ein Sich-Einlassen. Manche sagten, sie empfinden die Arbeiten in ihrer Einfachheit als kompliziert. Es ist unterschiedlich – und das ist das Spannende für mich, wenn ich die Fremdwahrnehmung in der Ausstellung beobachte. Manche Menschen haben sofort einen Zugang, und das berührt mich dann. Ein stiller, besonderer Kontakt entsteht.
In dem Moment, in dem ich meine Arbeiten zeige, entsteht wiederum für mich eine neue Resonanz mit den Betrachtenden und ihren Reaktionen. Ich fühle mich hier gerade mit meinen Bildern zu Hause. Sobald ich sie ausstelle, bin ich offen für das, was von außen zurückkommt.
Wie die Resonanz ausfällt? Ich kann sie nehmen, wie sie kommt. Und das ist ein schöner, wachsender, persönlicher Prozess. Heute geht es für mich darum, einen Ort zu finden, der für mich und meine Arbeiten stimmig ist, der meiner Arbeit einen Wert gibt. Was dann passiert, bleibt spannend.


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