Roland P.

Roland P, 46 Jahre, verheiratet, 2 Kinder, Koch, Unternehmer

„Warum geht das nicht: ein Betrieb hat 2019 Steuern bezahlt und diese gezahlten Steuern werden vom Finanzamt, mit einem Knopfdruck, 2020 zurückbezahlt, als Corona- Hilfe.“

53° 6'12.35"N 11° 7'19.63"E, 10.12.2020


Wie bist du in diesen Street-Food Wagen gekommen?
Lange oder kurze Antwort?
Auf einen Kaffee.
Ich bin hier geboren im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Aufgewachsen im Landkreis Lüchow-Dannenberg, zur Schule gegangen im Landkreis Lüchow-Dannenberg, Koch gelernt im Landkreis Lüchow-Dannenberg.
Zuerst habe ich mit 16 in der BG Metall gelernt, da war ich zu dusselig zu, aber ne Freundin habe ich da schon gehabt. Allerdings war die auch teuer und da habe ich dann nebenbei hier in Dannenberg in der ALTE POST,  bei Otto Warnebeudt in der Küche gearbeitet, um bisschen Geld zu haben, um mit dem Mädel auch mal ins Kino gehen zu können.
Na ja, dann habe ich ihm mein Leid geklagt, dass das mit der Schule und mit der BG nicht so schön ist und dann sacht er: „Hast du nicht Lust Koch zu werden?“ Und dann ging die Scheisse los (lacht)
Und dann habe ich richtig Koch gelernt. Nach der Ausbildung 4 1/2 Jahre zur Bundeswehr, Marine. Nach der Grundausbildung dann zur Marine-Versorgungsschule auf Sylt, als Ausbilder für Köche auf Schnell- und U-Boote. Ich habe sie ausgebildet als Konditoren, Bäcker, Fleischer und eben Köche, so dass sie nachher selbstständig an Bord kochen können. Das war eine schöne Zeit! Ich wollte dann natürlich auch mal zur See fahren…
Du warst Ausbilder und dann immer an Land und da noch nie zur See gefahren?

Ja, noch nie zur See gefahren. Na ja, weil ich an der Marine-Versorgungsschule arbeitete kam es vor, wenn Köche auf einem Boot mal ausfielen, wurden Ersatzköche bei uns dann angefordert. Ein Freund von mir hat so ein Jahr lang eine Weltumsegelung mit der „Gorch Fock“ gemach!
So etwas wollte ich natürlich auch machen! Irgend wann wurde wieder ein Koch angefordert. Ich habe natürlich gleich meine Hände hochgerissen und gesagt: „So, ich möchte auch mal!“ Blöd war, ich durfte dann 6 Wochen nach Plymouth auf einen Zerstörer und habe ausser der Kombüse nix gesehen, weil wir die ganze Zeit im Manöver waren. Volles Rohr..die ganze Zeit nur gerödelt! Ok, nach den 6 Wochen bin ich dann zu einem Unteroffizierslehrgang gekommen, in Plön. Danach war ich auf einem Schnellboot. Norwegen, Spanien, Biskaya, La Rochelle, überall. Schönste Zeit! 
Dann ist mein erster Sohn geboren und da war für mich klar: Ab nach Hause. Ich habe mich dann in Lüchow mit einem Restaurant selbständig gemacht. Nach einem Jahr habe ich gemerkt, da war ich 25 Jahre, scheisse, alle anderen verdienen Geld, nur ich nicht! Macht kein Sinn! Ich hatte so gehobene Küche angeboten, weil ich gute Kontakte nach Sylt hatte: Austern, Fisch, Beef und so, beste Ware, aber für diese Gegend zu teuer. Bin dann mit einem blauen Auge relativ glimpflich da rausgekommen. 2002 habe ich dann wieder Fuss gefasst und bin mit meiner Frau, sie Erzieherin, und meinem kleinen Sohn nach Hamburg. Bei Sana-Catering dann Betriebsleiter im Verpflegungsbereich des Krankenhauses TABEA, habe dann noch nebenbei als Koch in guten Restaurants gearbeitet. Im „Lambert“, dann bei Steffen Henssler, das war auch eine schöne Zeit!
Mein 2 Sohn kam zur Welt und für uns war klar, das macht alles keinen Sinn hier, wir wollten nicht, dass unsere Kinder in Hamburg in den Kindergarten oder in die Schule gehen. War uns alles zu unübersichtlich.  Wir haben uns dann in Lüchow ein kleines Haus gesucht und ich bin dann immer gependelt. 1 1/2 Std. hin, 8 Std. Arbeit in Hamburg und 1 1/2 Std. zurück nach Lüchow. Pendeln ist oberkacke! Ich habe weiter das Krankenhaus TABEA gemacht, dann die Philipp F. Reemtsma Stiftung dazu bekommen und dann das Tropeninstitut mit versorgt. Dann sollte ich noch eine Grossküche in Bad Segeberg übernehmen. Das wollte ich nicht, bin zurück nach Lüchow  und habe dann als Betriebsleiter Verpflegung für Apetio im Krankenhaus Dannenberg angefangen. Ich wollte einfach mein Leben endschleunigen. Hier ist das ja alles bisschen entspannter und vor allen Dingen, wollte ich mehr Zeit mit meinen Kindern und meiner Frau verbringen. Irgendwann wollte ich dann auch nicht mehr angestellt sein und habe dann die Kantine von Conti in Dannenberg übernommen. Ich habe 9 Mitarbeiter. Koch und Organisator bin ich, ich habe 2 Azubis aus Afghanistan im dritten Lehrjahr, beide sind sehr, sehr gut und schaffen die Prüfung. Die kamen hier an, konnten kein Wort Deutsch, wohnten in Dannenberg in einer Wohngruppe von Bernard Fathmann für Flüchtlinge  und haben ihr Leben dann mit uns selber aufgebaut. Ich übernehme beide, der eine wird stellvertretender Sous-Chef und der andere wird dann eine Kantine in Neu Kaliß übernehmen, die wir auch noch betreuen.
Wir betreiben nicht nur mehrere Kantinen sondern machen auch Catering. Durch die Corona Pandemie und dem ersten Shut Down ist uns alles weggebrochen. Das Kantinengeschäft ist jetzt sehr reduziert, durch Homeoffice vieler Angestellten und den Vorsichtsmassnahmen in den Kantinen. Das Catering ist fast ganz zum Erliegen gekommen. Corona-Hilfe für den ersten Shut Down 3000,- € ! Ich habe keinen Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, keinen entlassen. Mir war und ist das wichtig. Wir sind ein Team und eine Mannschaft. Wir haben aus der Not geboren eine Suppen-Manufaktur gemacht, die das alles finanziell hochhält und das Gehalt für die Mitarbeiter einbringt. Anfang März dann haben wir die Ware auf Bestellung durch den ganzen Landkreis von Haustür zur Haustür mit Maske und Handschuhen und allem was dazugehört ausgeliefert. Meinem Sohn und mir ist dann die Idee gekommen, wir könnten doch auch eine Suppenküche auf Rädern machen. Ich weiss nicht warum, aber das war schon immer mein Traum. Wir haben uns das ausrechnen lassen, ein neuer Wagen sollte 87.000€ kosten, haste nicht, so, Kredit aufnehmen machen wir nicht. Was heisst das? Musste selber einen bauen. Wir haben uns einen Wagen für unter 1000€ gekauft und den dann in mehreren Wochenenden, von März bis Mai aufgebaut. Arbeitszeit und Schweiss reingesteckt, aber auch Ideen und viel Freude gehabt. So ist das Ding dann eben gewachsen. 

Ist das jetzt deine Lieblingsküche? 

Das nicht ( lacht) aber der Anfang einer Vision!
Im Sommer haben wir ihn dann anders benutzt. Suppen gehen meist nur im Herbst und Winter. Da wir aber in diesem Wagen alles schnell rein und raus Bauen können, so wie wir lustig sind,  haben wir ihn als Catering-Wagen benutzt. Aus diesem Wagen haben wir schon 4 Gang Menüs gehauen, 3 Gang Menüs, Grillfeste durchgezogen, also wirklich alles gemacht. 
Nach dem 2 Shut Down,fahren wir wieder Suppen übers Land.
Der Wagen steht jetzt bei Pengel Farzeugbau auf dem Parkplatz, hier wo du auch grade stehst. Er bleibt da jetzt auch fest stehen. Ich habe Sylviea Pengel, die Besitzerin, gefragt: Sylvia, ich habe eine Idee, habe ihr meine Bilder vom Catering auf FB gezeigt. Das ist der Wagen, den haben wir gebaut, ich habe die Idee, wir wollen Suppen machen, Sylvia, können wir hier einen Platz haben und Sylviea sagte: „Jupp, probiere es aus, wenns läuft ist gut, wenn nicht, war es ein Versuch. Wir haben einen Festanschluss bekommen. Es läuft sehr gut. Hochzeitsuppe ist der Renner. …
Oh man, siehste , jetzt haben wir uns verquatscht, die Bratwurst!  „Egal, was ich koche, es wird immer Gulasch oder wie“

„Lacht schallend“
Wie siehst du das jetzt mit dem November Shut Down?
Der Look Down oder Shut Down wird wohl bis in den Frühling hinein gehen, das Catering-Geschäft wird bis dahin auch nicht wachsen, ich hoffe, dass wir die Kantinen in der Industrie weiter betreiben dürfen, das würde uns ein bisschen retten. Wenn sie uns nachher alles dichtmachen, auch diese Bude hier, dann koche ich weiter und fahre mit den Suppen wieder durch den Landkreis. 

Was ich sehe, dass die ganze Gastro komplett gebeutelt ist, alle müssen sich neu erfinden, alle müssen jetzt sehr kreativ werden, um zu überleben. Ok, Tim Mälzer mit seiner BÄM BOX übertreibt das jetzt grade wieder ein bisschen, gut, er hat auch einiges zu Stemmen. Aber alle lassen sich was einfallen. Dass zeigt eigentlich, wie kreativ wir sind. Überleben, können und wollen! Schlimm ist allerdings nur, dass von der Regierung nichts kommt. Nicht genug und mit einem irrsinnigen bürokratischen Aufwand. Warum geht das nicht: ein Betrieb hat 2019 Steuern bezahlt und diese gezahlten Steuern werden vom Finanzamt, mit einem Knopfdruck, 2020 zurückbezahlt, als Corona-Hilfe. Wäre unbürokratisch, hilfreich und man hätte bisschen Luft, um nicht unter zu gehen.  

Ich denke immer positiv! Es gibt auch Situationen, wo ich denke, wie soll das jetzt weiter gehen. Was machen wir danach, wie lange halten wir das durch. Aufgeben ist aber keine Option. Ich stehe morgens um 3.00 Uhr auf, belege 700 Brötchenhälften mit einem Mitarbeiter, dann kochen wir Mittagessen für das Tagesmenü für die Kantinen, 2 Tagesmenüs, wir haben Auswahlessen, einmal für 120 und einmal für 60 Menschen, nebenbei kochen wir unsere Suppen, fahren aber noch Einkaufen, dann müssen die Brötchen für die Dialysepatienten ausgefahren werden, dann haben wir noch die Kantine in Neu Kaliß, dafür wird mit eingekauft und sie beliefert, dann fährst du nach Salzwedel, kaufst ein, kommste wieder, lädst das aus, dann wird weiter gekocht, dann beginnt das Tagesgeschäft. Suppenverkauf, Brötchenverkauf in den Kantinen, hier beginnt um neun das Geschäft und dann ist noch nebenbei Catering. Heute z.B. Fingerfood für die Lebenshilfen, Konferenzservice für die Conti und das alles nebenbei, aber immer excellent!

Wie alt bist du noch einmal?
Ich bin jetzt 46 Jahre.

Und wann fällst du tot um, wenn du jeden Tag 14-18 Std. arbeitest?
Ich hoffe, das dauert noch ein bisschen! (lacht)
Und so mit drei oder vier Suppen-oder Catering-Wagen?
Würde ich mehr verdienen als jetzt!
Überlegst du dir das?
Nee,
Ist das Verantwortungsgefühl?
Ja, für die Mitarbeiter, an denen hänge ich! Die machen gute Arbeit! Wir werden nicht reich dadurch, aber wir kommen hoffentlich durch. Wenn alles gut läuft. 

Scheiss Corona



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