Rolf E.

Rolf E., immer gut gekleidet.
„Ich bin 74 Jahre NEIIIIIIIN!!!!! 73 Jahre! Jedes Jahr zählt! Nie verheiratet gewesen, keine Kinder, Beziehungen jede Menge. Ich wollte nie Alimente bezahlen müssen!“ Lebt von seiner Rente und der Grundsicherung.

Hamburg, 53°33'32.1"N 9°58'22.3"E, 23.10.2017


„Ich bin viele! Ich habe Lunge, ich habe Rücken, ich habe Magen“.


Rolf E. hat unter anderem COPD (chronic obstructive pulmonary disease)
„Die Lungenblässchen werden immer grösser. Ich bekomme immer schlechter Luft, auch durch mein Anstrengungsasthma. Ich schaffe nichts mehr. Zu mir kommt 2 x die Woche eine Putzfrau, ich habe einen Pfleger, der nach dem Rechten schaut.“


„Die Krankheiten sind durchs Leben gekommen.“
„Von allem hatte ich zu viel! Zu viele Zigaretten, zuviel Koks, zuviel Alkohol. One meine Stimmungsaufheller auf Rezept, z.B. Fluoxetin, würde ich heute den Tag nicht überstehen.“


Unehelich geboren, von seinem leiblichen Vater verleugnet. Mit Siebzehn abgehauen, zur See gefahren.

„Ich hatte die Hölle zu Hause. Während Ihrer Kur lernte meine Mutter einen Typen in Bad Bramstedt kennen. Nach dem Lohntütenball (gab es damals noch) hat er mich freitags, wenn er besoffen nach Hause kam, immer verprügelt. Ein Schlosser mit harten Knochen.


Nach der Seefahrt habe ich Koch gelernt und Installateur, aber beide Lehren nicht durchgezogen. Schliesslich bin ich als Hilfskraft auf den Bau gegangen. Zehn Jahre habe ich da als Eisenflechter gearbeitet. Harte Arbeitet! Auf Montage: 6 Tage die Woche, 12 Stunden am Tag. Danach war mein Rücken im „Arsch“, Bandscheibenvorfall. Habe ich immer noch.


Mit 30 Jahren dann eine Umschulung als Bürokaufmann, bei „rOtring“. Die Gesellenprüfung abgeschlossen, mit einer 3. Die wollten mich für die Buchhaltung ins Büro stecken. Wollte ich aber nicht machen. Ich wollte nie ins Büro. Nach einer gescheiterten Liebe bin ich vom Lattenkamp, 5 Zimmer, ins Karolinenviertel gezogen, Ladenwohnung. Mein sozialer Abstieg.


Mir kam die Idee, eine Kunstgalerie auf zu machen. Ich habe immer schon Kunst gesammelt, Siebdrucke. Irgendwann wollte ich aber auch Originale haben. Ich fing an, Ausstellungen für Künstler anzubieten, da viele keine Möglichkeit bekamen ihre Werke zu zeigen. Die Bezahlung für die Ausstellung in meinen Räumen: ein original Bild von dem Künstler. Bild gegen Ausstellung.


Ein Freund bot mir irgendwann in der Turnerstrasse bessere Räume an, mit Garten. Riesen grossartig! Schöne Räume. Dort habe ich 1984 Freunde zusammengetrommelt und einen Kunstverein gegründet. „Geheim eV“, der Kunstverein im Karolinenviertel. Wir haben wiklich viele Ausstellungen, Lesungen und Events gemacht und ich bekam meinen Laden durch den Verein bezahlt. Als 2. Vorsitzender musste ich allerdings dann doch zwischendurch zum Arbeiten gehen. Durch Kontakte wurde ich der erste Barmann in der Prinzenbar, als die neu aufmachte.
Ich bin Musikfan, habe schon immer Musik gehört, ich muss Musik hören! Als Kind habe ich vor dem Radio gekniet und habe auf das grüne, das magische Auge geguckt. Kennst du das noch? Habe ausländische Sender gesucht. NDR war so langweilig! BFN ( Britisch Forces Broadcasting Sevice) war mein Lieblingssender. Vor allen Dingen DJ John Peel. Seit dem bin ich immer noch der `John Peel Fan Club`. John Peel habe ich dann auch in der Prinzenbar gespielt. Aber mit dem Arbeiten in der Prinzenbar ging es nicht allzu lange. Als das mit dem Techno anfing und sie mir die Boxen auf den Tresen stellten…. dass ging gar nicht! Zu hektisch, zu laut.


Nach der Prinzenbar musste dann ja irgendwo Geld herkommen. 1993 machte ich einen Pappmöbelladen auf, auch in den Räumen in der Turnerstrasse. Den Kunstverein hatte ich gekündigt. Möbel aus faltbaren Pappen. OH` WELL. Da die Pappmöbel nicht so ankamen, nahm ich noch Hanfprodukte mit dazu: Taschen, Kleidung usw. Und das alles schon vor 15 Jahren! Lief aber nicht. Die Hamburger sind bis heute nicht bereit dafür. Da ein Raum noch frei war, machte ich nebenbei eine Suppenküche auf: „Herz aus Gold “ Die erste in Hamburg dieser Art. Meine besten Kunden waren die Leute von Jung von Matt. Die Suppenküche lief, lief bis 2001, bis ich Krebs bekam. In der Zeit musste ich 32 Mal zur Bestrahlung, arbeitete aber weiter. Als das Lungenemphysem dazu kam, ging dann gar nichts mehr und ich gab den Laden auf.

Jetzt habe ich keine Ziele mehr, ausser, ich möchte so alt werden wie möglich.“


„Was mich zur Zeit am meisten beschäftigt?“


„Meine Lunge beschäftigt mich von morgens bis abends. Mein Elektroroller, den ich über das Internet bei OTTO gekauft habe, der draussen vor der Tür steht und zu spät geliefert wurde, beschäftigt mich. Sollte im Frühjahr da sein, ist aber erst jetzt im Herbst gekommen! Konnte ihn noch kein einziges Mal fahren!
Weil das Wetter so schlecht wird, kann ich ihn erst nächstes Jahr fahren. Und Geld für ein Taxi habe ich nicht. Ich muss zu Hause bleiben, da mich das Gehen zu sehr anstrengt. Deswegen: OTTO finde ich nicht mehr gut!“


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