Christian S.

Christian S., 45 Jahre, lebt seit 2 ½ Jahren mit seiner zukünftigen Frau zusammen, früher überzeugter Punker, abgebrochenes Maschinenbaustudium, Reserveoffizier, im Augenblick Bauhelfer. “ Es kommt mir darauf an, Menschen in meiner Umgebung zu fragen: Was tun wir da? Ist das wirklich notwendig, was wir hier machen? Geht es nicht eine Nummer kleiner?“

53°43'43.07"N, 10°15'23.79"E, 07.12.2014


Christian lacht: “Ich wollte nie eine bürgerliche Existenz! Ich bin Punker seit ich 15 Jahre alt bin, aus Überzeugung! Punk aus dem Herzen heraus ist auch eine moralische, philosophische Haltung gegen diese Doppelmoral in unserer Gesellschaft, gegen rassistische Tendenzen hier, gegen den Konsumkapitalismus. Zum Beispiel unsere Wohnung hier, alle Möbel haben wir aus dem Sperrmüll, nichts ist gekauft worden. Meine Freundin und ich sind Jäger und Sammler. Seit 20 Jahren gebe ich kein Geld für Kleidung aus. Ok, Unterhosen und Strümpfe ja, aber sonst suche ich alles aus den Altkleidercontainern zusammen.
Als ich jung war, wollte ich die Welt verändern. Ich habe Maschinenbau studiert, um Wärmekraftmaschinen energetisch zu verbessern. Im 3. Semester an der Uni bekamen wir die Aufgabe, ein gegebenes Autogetriebe so zu modifizieren, dass es nicht repariert werden kann und wir sollten die Lebenslauflänge vorgeben können. Da habe ich dann das Studium geschmissen.
Mit 23 Jahren wurde ich noch zum Wehrdienst gezogen. In dieser Zeit scheiterte gerade die Beziehung mit meiner ersten großen Liebe und mit meiner Selbständigkeit als Autoschrauber war ich auch grade gegen die Wand gefahren. Deswegen bin ich einfach zur Bundeswehr gegangen. Na ja, die Bundeswehr musste ihr erstes UNSOM Kontingent stellen und mit Erschrecken nahm das damalige Bundesministerium der Verteidigung wahr, dass die Befehlssprache der Nato Englisch ist und dass es zu wenig gezogene Soldaten gab, die englisch sprechen konnten. Ich konnte Englisch. Die Bundeswehr bot mir an, wenn ich mich 4 Jahre verpflichten sollte, würde ich bei Beendigung meines Dienstes im Rang eines Reserveoffiziers entlassen werden. Du siehst, ich bin da einfach mehr oder weniger reingerutscht. Was die ganze Sache mit der Offizierslaufbahn für mich erleichterte, ist meine Fähigkeit, einmal gelesene Texte in Erinnerung zu behalten. Hilft ungemein, gerade auch bei so einer Offiziersausbildung.
Ich kann dir jetzt alles aufzählen, was ich danach gemacht habe: Fahrzeugrequisite für die Filmausstattung, Filmpyrotechniker, Harz IVler, mit Autos gehandelt, ich hatte einen Computerladen. Das Wichtigste in meinem Leben waren und sind jedoch meine Freunde. Und ich habe immer nach der Frau meines Lebens gesucht, die ich jetzt gefunden habe!
Momentan arbeite ich eigentlich als Baugehilfe. Und genau das möchte ich auch gerade machen. Nicht wegen der Kohle. Von der Bezahlung her, habe ich wirklich einen absoluten Hilfsjob. Mein Chef ist ein begnadeter Bautechniker, allerdings hapert es bei ihm mit der Kommunikation zu seinen Arbeitern und seinen Kunden. Und ich mache jetzt etwas, was ich wirklich sehr gerne und aus Überzeugung mache: Ich stelle eine sinnvolle, produktive Kommunikation zwischen der Firma und dem Kunden her, für den wir eine neue Wohnung bauen.
Ich möchte dasein, sehen und leben. Ich fotografiere nicht, ganz im Gegenteil. Ich lebe die Situation und trage dann dieses Erlebte als Bild in mir.“


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