Siggi W.

Siggi W., Journalist, Buchautor, eigene Altersangabe: Generation 55+ , lebt in Hamburg und Amsterdam. „Du siehst ja überall die gesellschaftlichen Umwälzungen. Unser ganzes System wird auch explodieren!“

Hamburg / Amsterdam, 03.07.2019


Aufgeschrieben 2014, Portrait 2019:

-De Dulle Griet- dieses Bild fasziniert mich! Ein Bild, das eine Art Weltuntergang zeigt!“

Siggi W. sitzt am Computer und zeigt mir sein neuestes Buch. Eine Rohfassung über Hieronymus Bosch und die Zeit, in der er lebte. 650 Seiten, gekürzt auf 450 Seiten. Vier Jahre tägliche Arbeit und zufrieden ist er mit dem Text noch lange nicht.

„Ein unglaubliches Gewusel an Szenen, irgendein Söldnerheer da, ein Krieg und Feuer in der Ferne, ein Höllenschlund, sich umbringende Menschen, Dämonen und alles in düsteren Farben gehalten. Fast im Zentrum des großen Gemäldes, die tolle Grete. Der Witz dabei, ich dachte, Hieronymus Bosch hätte es gemalt, dabei ist es ein Werk von Pieter Bruegel dem Älteren! Ich habe die Bilder der beiden Maler immer verwechselt. Bis ich darauf kam, dass Bruegel den Bosch kopiert hatte.
Damals haben die ja schon unheimlich kopiert und abgezeichnet und Bosch war derjenige, der wegen seiner wahnsinnigen Motive schon einer der berühmtesten Maler der Renaissance war.

Ich weiß, dass es unheimlich viel Literatur über Hieronymus Bosch gibt. Die meisten Veröffentlichungen versuchen eine Interpretation seiner Werke. Von Hieronymus Bosch ist allerdings fast nichts Persönliches bekannt, keine Briefe oder Aufzeichnungen von ihm. Ich versuche in meinem Buch, den Maler durch sein gesellschaftliches Umfeld her einzukreisen. Wie tickten die Leute in der damaligen Gesellschaft? Was waren die Auslöser dafür, dass Bosch solch verstörende Bilder malte? Er hat ja versucht, den Zeitgeist seiner Epoche darzustellen, wofür er eine ganz neue Bildsprache benutzte. Für mich war es spannend zu begreifen, was für gesellschaftliche Verwerfungen diese Zeitenwende hervorrief.

Der Übergang vom Mittelalter zur Renaissance wurde ja begleitet, oder vielmehr hervorgerufen, durch drei große Ereignisse: die Erfindung des Buchdruckes, dass gebrauchen des Schiesspulvers und die Entdeckung Amerikas. Und das führte dazu, dass das ganze damalige System explodierte, nicht sofort, aber in einem überschaubaren, relativ engen zeitlichen Rahmen. Und das ist ja aus der Geschichte erkennbar: es ist nichts statisch. Leider ändert sich der Mensch über die Zeit nur sehr langsam. Aus unserer heutigen Wahrnehmung kaum.

In den bekanntesten Bildern von Hieronymus Bosch geht es um die Darstellung der menschlichen Sünden: Habgier und Neid, Gewalt und Ausgrenzung zur Erlangung von Herrschaft zum Beispiel. Eben die menschlichen Schwächen. Durch das Arbeiten an meinem Buch ist mir klar geworden, dass der heutige Mensch sich eigentlich genauso verhält wie damals. Und wir erleben heute auch eine Zeitenwende. Das Internet, die digitale Revolution, die Globalisierung. Du siehst ja überall die gesellschaftlichen Umwälzungen. Wie damals wird unser ganzes System auch explodieren. Ich denke, es sind da sehr starke Analogien zu der damaligen Zeit vorhanden. Und, wir sind heute in unserem Lebensgefühl, in der zeitlichen Wahrnehmung gesellschaftlicher Veränderungen gegenüber der Welt des Hieronymus Boschs klar im Nachteil. Zu seiner Zeit war das Schnellste: ein Reiter auf dem Pferd! Versuche dir dieses Zeitgefühl mal heute, in unserer global vernetzten Welt vorzustellen. Aber vielleicht können wir die Zeit auch gar nicht schneller wahrnehmen als damals. Dann hätten wir in der Tat ein großes Problem, mit unserer modernen Welt!

Noch einmal zurück zu dem Bild der tollen Grete. Ein halbes Jahrhundert später, Hieronymus Bosch starb 1516, wurde Bruegel von seinem Drucker beauftragt, in der Art von Bosch zu malen und diese Bilder dann auch als Bosch zu signieren. Gängige Praxis des damaligen Kunstmarktes, um höhere Preise der Bilder zu erzielen. Kunst wurde schon damals als Wertanlage begriffen. Das Urheberrecht gibt es erst seit dem preußischen Reich, unter Bismarck, glaube ich.“

Nachtrag: Das Buch ist in Holland erschienen „Jheronimus Bosch / Siggi Weidemann“


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